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Der Pippo rechnet ab... mit den Leistungsträgern, der FDP, AfD und mit Merz und seiner CDU.

Vor kurzem teilte ich auf LinkedIn einen Artikel, in dem angezweifelt wird, dass Friedrich Merz ein „Kanzler für alle“ sein könne. Dazu postete ich noch ein Bild aus dem verlinkten Artikel, auf dem sein geschätztes Vermögen (12 Millionen €) und sein letztes Jahresgehalt (1 Million €) angegeben ist. Außerdem findet sich auf dem Bild die Information, dass 99 % der deutschen Steuerzahler über weniger Vermögen verfügen, als Friedrich Merz.

 

Was dann folgte, habe ich nicht wirklich erwartet und kann durchaus als Shitstorm bezeichnet werden – ich habe mit meinem Beitrag wohl einige „Leistungsträger“ aufgeschreckt.

 

Es kamen die üblichen inhaltsleeren Kommentare (Neid, Kommunismus, „woker“ Schwachsinn usw.), die Nebenschauplätze eröffnen sollten bzw. mich in die Defensive drängen sollten.

Wahrscheinlich haben die meisten nur das (zugegebenermaßen provokante und populistische) Bild zu dem Artikel gesehen, gerieten daraufhin völlig in Rage und bekamen einen verschwommenen Blick und Schaum vor dem Mund. Den verlinkten Artikel zu lesen war scheinbar gar nicht mehr möglich.

 

Aber Dank der vielen Reaktionen von diesen „Leistungsträgern“ hatte ich eine Reichweite, wie nie und 10 neue Follower! Danke! Auf gewisse Weise ging mein Beitrag viral!

 

Zwei „Leistungsträger“ taten sich beim Shitstorm besonders hervor:

 

Günter S. (laut Profil selbständig, Pro-Atom, Anti-Grüne, scheinbar Klimaskeptiker, fällt auch sonst eher durch faktenfreie Blödsinns-Posts auf) warf mir Neid vor und beleidigte mich schon in seinem ersten Kommentar. Auf diesen folgten noch weitere mit Beleidigungen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung war mit Herrn S. nicht möglich. Naja – Screenshots habe ich gemacht, Anzeige ist raus, Herr Günter S. Sie werden also sicher bald Post bekommen.

 

Der zweite Teilnehmer, der besonders aus der pöbelnden „Leistungsträger“-Masse herausstach, war Thomas B. Auch wenn er mich nicht beleidigt hatte, fiel er mir durch sein (meiner Meinung nach) arrogantes Verhalten negativ auf.

Herr B. mischte sich in eine Diskussion von mir mit Herrn Christian S., der mich „verblendet“ nannte, weil ich anzweifelte, Leistung lohne sich für alle. Herr S. erklärte mir, das Durchschnittsgehalt in Deutschland läge bei 4300€ Brutto und war deshalb der Meinung, Leistung lohne sich sehr wohl. Auf meine Frage, ob er das durchschnittliche Gehalt eines Tischlers mit 20 Jahren Erfahrung kenne, ging er nicht ein, sondern warf mir „Klassenkampf“ vor.

 

An dieser Stelle schaltete sich Thomas B. Ein. Er nennt sich auf seinem LinkedIn-Profil selbst „Werbeartikelprofi“ und „Kennt die nachhaltigen Gadgets, die Mitarbeitern und Geschäftspartnern Freude machen.“ Herr B. „beglückt“ also andere Menschen mit Dingen, die im Zweifel keiner braucht oder will.

Da er als „Werbeartikelprofi“ natürlich ganz genau weiß, was Kunden wollen, erklärte er mir ungefragt, wie ich als Tischler erfolgreich sein könne – nämlich, indem ich kein „Produkt, sondern das Erlebnis“ verkaufen solle. Schließlich würden Menschen keine Möbel, sondern „ein Gefühl“ kaufen. Außerdem gab er mir noch Argumentationstipps für das Beratungsgespräch und den Rat, mir „Billig-Kunden“ vom Hals zu halten. Der Kunde müsse sich in mein Produkt „verlieben“.

Ganz offensichtlich hat Herr B. von meinem Beruf keine Ahnung und weiß nicht, dass ich in der Regel Möbel nach Kundenauftrag und vor allem nach Kundenwunsch baue und der Kunde somit im Idealfall sein Wunschmöbel bekommt. Also ganz genau das, was er sich vorstellt und wünscht, solange es technisch möglich ist.

Das Problem ist nur, dass Handwerk in Deutschland einfach nicht wertgeschätzt, sondern scheinbar als „niedere Tätigkeit“ angesehen wird.

 

Dazu zwei Beispiele.

Beispiel Eins liegt bereits etwas weiter zurück:

Während meiner Selbständigkeit bekam ich eine Anfrage, ob ich eine Ikea-Küche montieren könne. Also eine Küche, bei der alle Schränke in Einzelteilen geliefert werden. Jedes Brett, jede Schraube einzeln. Für den Zusammenbau und die Montage der Küche nannte ich einen Preis. Daraufhin folgte ein ungläubiger Blick und die erstaunte Antwort: „Dann ist das ja genau so teuer, wie eine Küche vom Küchenstudio!“

Einem logisch denkendem Menschen sollte eigentlich folgende Tatsache bewusst sein: Die Möbel und Küchen von Ikea sind nur günstiger, weil die personal- und damit kostenintensiven Arbeitsschritte an den Kunden ausgelagert werden. Wenn man dann als Kunden einen Handwerker beauftragt, der diese Schritte für einen ausführen soll, muss man diese Arbeit natürlich trotzdem bezahlen. Folglich kann dieses Möbel oder die Küche gar nicht mehr günstig sein

 

Das andere Beispiel ist ganz frisch von heute.

Eine Kundin kam in Begleitung ihrer Freundin in die Schreinerei und wollte noch zwei Kommödchen passend zu ihrem von uns angefertigten Bett. Beide Kommödchen, individuell nach ihren Wünschen angefertigt, sollten inklusive Lieferung zusammen 450€ kosten. Die Freundin der Kundin fand diesen Preis viel zu hoch, schließlich bekäme man ja bei Ikea zwei Kommödchen für zusammen 200€. Die Tatsache, dass sie die Kommödchen bei Ikea selbst abholen und zuhause noch zusammen bauen muss, hat sie wohl ausgeblendet. Ebenso die Tatsache, dass die Kommödchen dann nicht hundertprozentig zu dem Bett ihrer Freundin passen würden.

Um die Kosten etwas zu senken, schlug sie vor, einen Zwischenboden wegzulassen. Daraufhin erklärte ich ihr, dass nicht das kleine Brettchen den Preis bestimmen würde, sondern der größte Kostenfaktor meine Arbeitsleistung sei – also durch mein Gehalt bedingt. Ihre Reaktion darauf: „Dann müssen Sie eben mal weniger verdienen!“

 

Ganz nach dem Motto „Geiz ist Geil“.

 

Wertschätzung für meine Arbeit ist sicher etwas anderes! Die Arbeit eines Tischlers darf anscheinend nichts kosten.

Und als wäre das nicht schon schlimm genug, werde ich mittlerweile bei fast jeder Lieferung gefragt, ob ich nicht mal „hier eben schauen“ könne, wo man doch schließlich gerade „mal einen Handwerker im Haus“ habe. Das ist aber dann selbstverständlich eine „kostenlose Serviceleistung“, die mittlerweile durch die Kunden nur noch selten honoriert wird.

Ob meine Kunden wohl auch unentgeltlich arbeiten würden?

 

Die ganzen „Leistungsträger“, die regelmäßig Diskussionen um ein wenig mehr soziale Gerechtigkeit mit den Begriffen „Neid“ oder „Kommunismus“ abzuwehren versuchen, sollten sich mal ernsthaft fragen, ob diese geringe Wertschätzung meiner Arbeit schuld am Fachkräftemangel sein könnte. Selber bekommen Sie den Hals nicht voll und verlangen auf der anderen Seite von mir, „weniger zu verdienen“ oder am Besten ganz umsonst zu arbeiten. Dabei verrichte ich, obwohl „nur“ Geselle, durchaus auch teilweise die Arbeit eines Tischlermeisters und kommuniziere auch nach Feierabend gelegentlich mit „meinen“ Kunden(eigentlich mit den Kunden meines Chefs). Entlohnt werde ich jedoch nur wie ein Geselle. Auch, weil die Kunden meine Leistungsbereitschaft nicht zu schätzen wissen oder zumindest nicht angemessen vergüten wollen.

Als müsste ich keine Miete zahlen, kein Auto unterhalten, keine Rechnungen begleichen oder nicht auch etwas essen!

 

Und dann darf ich mir noch auf LinkedIn von einem Werbeartikelverkäufer Tipps reinziehen, wie ich meinen Job zu machen habe und dass sich „der Kunde nicht in mein Produkt verlieben würde“. Also in das Produkt, welches ich nach Kundenwunsch und umfangreicher Planung mit dem Kunden angefertigt habe.

 

Ist klar, du Vogel!

 

Geichzeitig stellt sich ein Herr Linnemann, der in seinem gesamten Leben noch nichts sinnvolles geleistet hat, hin und behauptet, es gäbe in Deutschland „keine Leistungsbereitschaft mehr“. Da muss ich mich schon sehr zusammenreißen, um nicht wegen Beleidigung angezeigt zu werden!

Die Union, AfD und die FDP erklären dann vollmundig, dass Leistung sich wieder lohnen müsse, weshalb es dringend mehr „netto vom brutto“ geben müsse. Nur leider unterschlagen die Verantwortlichen der Parteien, dass die größte Entlastung bei den oberen Einkommen stattfinden soll: nämlich bei CDU knapp 13.000€ und bei AfD und FDP sogar 20.000€ pro Jahr.

Gut, ich will ehrlich sein, ganz leer werde ich auch nicht ausgehen: Für mich hat die Union eine Entlastung von 176€, die AfD von 245€ und die FDP von 292€ pro Jahr vorgesehen.

 

Toll.

Ich kann mein Glück kaum fassen.

 

Ach so. Stimmt ja, ich habe noch den Vorschlag der Union vergessen, steuerfreie Zuschläge auf Überstunden einzuführen (und natürlich gleichzeitig die Begrenzung der erlaubten Höchstarbeitszeit pro Tag abzuschaffen – ein Schelm, wer Böses dabei denkt!). Dann lohnt sich Leistung doch sicher endlich auch für mich. Dann will ich bestimmt gar nicht mehr nach Hause.

Das klingt ja angesichts des Fachkräftemangels auf den ersten Blick sogar recht sinnvoll. Aber wer profitiert hiervon am meisten? Der angestellte Handwerker? Der Anlagentechniker? Oder doch eher das Führungspersonal mit höheren Gehältern und die Unternehmen selbst?

Und was bedeutet der Vorschlag genau? Sind Überstunden komplett steuerfrei? Natürlich nicht. Nur die Zuschläge auf Überstunden (wie hoch die dann auch sein werden) sind dann steuerfrei. Gehen wir davon aus, dass die Zuschläge 25% betragen, wie bei der Nachtarbeit. Dann wären bei einem Stundenlohn von 19€ plus Überstunden-Zuschlag 4,75€ steuerfrei. Wenn man jetzt jeden Tag eine Stunde länger arbeitet (also 5Tx1Stdx4Wx4,75€), sind das 95€ pro Monat, die steuerfrei wären. Aber wohl nicht sozialabgabenbefreit. Davon habe ich zumindest nichts gelesen. Von den 95€ gingen dann also noch etwa 18% ab.

 

Übrig blieben also dann noch 77,90€, die steuerfrei wären. Für 20 Stunden Mehrarbeit und somit geopferte Freizeit/Familienzeit/Lebenszeit im Monat.

 

Wahnsinn! So viel? Da lohnt sich Leistung ja richtig!

 

...für den Chef.

 

Jetzt mal ehrlich, ihr „Leistungsträger“:

 

SEID IHR BLÖD ODER WOLLT IHR MICH VERARSCHEN?!

 

So langsam frage ich mich, ob ihr nicht eher „leistungsträge“ seid und keine „Leistungsträger“...

 

Für mich lohnt sich Leistung auf jeden Fall gerade kaum Und das wird sich nach den Plänen von Union, FDP und AfD auch nicht ändern.

Weshalb ich auch ernsthaft darüber nachdenke, den Beruf zu wechseln. Das wäre dann wieder eine Fachkraft (also ein wirklicher Leistungsträger) weniger in Deutschland. Obwohl mir der Beruf eigentlich große Freude bereitet. Aber ich erfahre weder Wertschätzung für das, was ich täglich leiste, noch wird es angemessen entlohnt.

 

Und je reicher die Kunden sind, desto weniger sind sie bereit zu zahlen. Und je reicher die Kunden sind, desto häufiger kommt die Frage, ob man nicht einen Teil bar zahlen könne, damit man nicht so viel Mehrwertsteuer zahlen müsse.

Steuern zahlen die „Leistungsträger“ ja bekanntlich nicht so gerne. Was sie aber natürlich nicht daran hindert, den Staat dafür zu kritisieren, wie er die Steuergelder verwendet.

 

Das darf aber natürlich kein Wähler mitbekommen. Deshalb diskutieren wir im Wahlkampf nicht über soziale Gerechtigkeit, sondern über Migration.

 

Nicht wahr, Herr Merz?

Statt sich darum zu kümmern, dass Leistung sich für die Arbeitnehmer*innen in Deutschland wirklich lohnt, zünden Sie lieber die Brandmauer an und machen Politik mit der AfD.

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Thomas B. (Freitag, 31 Januar 2025 09:18)

    ich habe gerne geholfen! Hier noch ein Lesetip: https://tinyurl.com/289883z6