
Die AfD ist bei der Bundestagswahl zweitstärkste Kraft geworden. Jeder Fünfte hat seine Stimme einer rechtsextremistischen Partei gegeben. Schaut man sich die Statistiken zur Bundestagswahl an, muss man sich schon sehr wundern.
Darüber, dass unsere Demokratie dem scheinbar hilflos gegenüber steht. Darüber, dass die Pfeiler der Demokratie anscheinend nicht wirksam sind. Darüber, wer die AfD gewählt hat. Darüber, dass die sogenannten etablierten Parteien keine Antworten finden. Darüber, dass es einfach kein AfD-Verbotsverfahren gibt – trotz zahlreicher Beweise. Darüber, dass die etablierten Parteien noch immer denken, sie könnten die AfD inhaltlich stellen. Darüber, dass die etablierten Parteien denken, „inhaltlich stellen“ bedeutet, die Positionen der AfD zu übernehmen. Und nicht, die Lügen der AfD zu widerlegen.
Woher kommt der Erfolg der AfD?
Natürlich haben China, Russland und auch Trumps USA ein großes Interesse daran, die Europäische Union zu destabilisieren. Und auch die (Un)Sozialen Netzwerke haben großen Anteil am Erstarken der AfD. Aber die Verantwortung jetzt nur auf die Einflussnahme fremder Mächte oder Soziale Netzwerke zu schieben, greift viel zu kurz. Denn es sind in erster Linie hausgemachte Probleme, wie z.B. die große wirtschaftliche Ungleichheit, die dafür sorgen, dass die Kampagnen der Demokratiefeinde überhaupt auf fruchtbaren Boden fallen. Und das wird dann gnadenlos ausgenutzt. Und die Angriffe auf unsere Demokratie werden mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die nächsten 4 Jahre weiter zunehmen.
Aber auch die Tatsache, dass (bis auf Die Linke) alle Parteien im Zuge der guten Umfragewerte vor der Wahl für die AfD einen massiven Rechtsruck vollzogen haben, hat erwartungsgemäß nur der AfD genutzt. Das Übernehmen rechter Narrative in Bezug auf Migration und Geflüchtete Menschen haben die Forderungen der AfD in die Mitte der Gesellschaft gebracht und so salonfähig gemacht.
Die Hetze von CDU, CSU und FDP gegen die Grünen war dann noch der letzte Booster für die Kampagne der AfD. Und den Grünen fiel daraufhin nichts besseres ein, als ebenfalls Verschärfungen in der Migrationspolitik zu fordern. Spätestens ab diesem Zeitpunkt kamen die AfD-Verantwortlichen aus dem Grinsen wohl nicht mehr heraus.
Wer wählte die AfD?
Um den Erfolg der AfD zu erklären, muss man sich aber ebenfalls anschauen, wer überhaupt die Wähler der AfD sind. Zunächst einmal gaben 38% der Arbeiter der AfD ihre Stimme. Also eher diejenigen, die über ein geringeres Einkommen verfügen. Diese Erkenntnis wird untermauert durch die Tatsache, dass 39% der Menschen in eher schlechter finanzieller Lage zu den AfD-Wählern gehören1. Das gleiche zeigt sich auch in den Wahlkreisen. Besonders in Ostdeutschland, aber auch in Gelsenkirchen und Kaiserslautern konnte die AfD die meisten Zweitstimmen verzeichnen. Also in Regionen, in denen sich die Menschen abgehängt fühlen, in denen eine vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit herrscht. Und in denen die Menschen zunehmend das Vertrauen in die Demokratie zu verlieren scheinen. So sind in Ostdeutschland beispielsweise nur noch 42% der Bevölkerung mit dem Funktionieren der Demokratie zufrieden. In Westdeutschland sind es immerhin noch 72% (Gesamt-Deutschland 62%)2. Außerdem konnte die AfD 1,81 Millionen Nichtwähler für sich gewinnen – ebenfalls ein Spitzenwert unter allen Parteien. Also diejenigen, die den vorherigen Wahlen ferngeblieben sind, weil sie das Vertrauen in die Demokratie bereits verloren hatten.
Die AfD ist also nach wie vor eine Partei derjenigen, die sich abgehängt fühlen bzw. die abgehängt sind und sich von der Politik nicht gehört fühlen.
Wenn sich jedoch 20% der Bevölkerung von der Politik nicht ernst genommen fühlen, darf man sich nicht wundern, wenn diese 20% dann das Vertrauen in die Demokratie verlieren.
Fazit
Die Deutsche Wiedervereinigung wurde nicht vernünftig umgesetzt. Die Menschen im Osten waren dem Kapitalismus hilflos ausgeliefert, die halbwegs profitablen Güter wurden sich eiskalt vom westlichen Kapitalismus unter den Nagel gerissen – der Osten wurde praktisch geplündert. Die Folgen mussten die Einheimischen tragen. Arbeitslosigkeit (bis dahin im Osten nahezu unbekannt), Perspektivlosigkeit und Armut führten dazu, dass die jungen Menschen den Osten verließen und so den Abschwung noch beschleunigten. Die Löhne sind im Osten noch immer geringer, als im Westen. Immerhin die Renten sind seit Juli 2024 in Ost und West gleich hoch – oder eher gleich niedrig. 34 Jahre nach der Wiedervereinigung.
Aber auch der Strukturwandel nach dem Kohleabbau in Deutschland wurde nur unzureichend durchgeführt. So ist die Arbeitslosenquote in den ehemaligen Braun- und Steinkohlerevieren in Deutschland höher, als anderswo.
Man hat den Fokus auf Wirtschaftswachstum/BIP und seit den 80er Jahren auf eine neoliberale Politik gesetzt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion brachen alle Dämme, der Neoliberalismus wurde weltweit zur vorherrschenden Ideologie. Die Bedürfnisse der Menschen und Umweltstandards spielten kaum noch eine Rolle. Wichtig war alleine ein stetig steigendes Wachstum, immer höhere Profite, immer neue Rekordgewinne. Mittlerweile opfern wir diesem Wachstumszwang auch zunehmend gesellschaftliche/zivilisatorische Errungenschaften: Die Herrschaft der alten weißen Männer erstarkt wieder.
Genützt hat die neoliberale Politik jedoch nur den Reichen. Seit dem 2. Weltkrieg waren die Vermögen noch nie so ungleich verteilt. Einen messbaren Einfluss auf Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze ist hingegen nicht festzustellen3.
Und es reicht den alten weißen Männern noch nicht: der Neoliberalismus verwandelt sich zunehmend in Libertarismus. Ganz massiv gerade in Argentinien und den USA zu beobachten, aber auch die AfD ist in ihrer Wirtschaftspolitik rechtslibertär. Behörden werden abgeschafft oder zumindest geschwächt. Reiche und Unternehmen werden entlastet. Der Staat wird praktisch handlungsunfähig gemacht. Der Druck auf wirtschaftlich Schwache wird hingegen massiv erhöht – und somit auch auf die Mittelschicht, die Angst vor Abstieg hat. Und innerhalb der CDU und FDP gibt es ähnliche Tendenzen und obendrein Lob für die Libertären Musk, Milei und Trump.
Sollte die Union sich mit ihren Plänen zur Entlastung der Reichen durchsetzen, das Bürgergeld gestrichen oder gekürzt werden und dringend nötige Investitionen in Verkehr, Bildung, Gesundheit, Digitalisierung, Energiewende und Verteidigung aufgrund der Schuldenbremse weiter verhindert, geht die AfD bei der nächsten Wahl wahrscheinlich als stärkste Kraft hervor.
Mit der Schuldenbremse wird man die bevorstehenden nationalen und internationalen Herausforderungen nicht meistern können, die wirtschaftliche Spaltung nicht verringern und die Bevölkerung nicht von der Überlegenheit der Demokratie überzeugen können. Wir brauchen nicht noch mehr Entlastungen für Reiche und Unternehmen, sondern eine Rückkehr zur Sozialen Marktwirtschaft. Denn die war der Garant für Wohlstand und Frieden in Europa nach dem 2. Weltkrieg. Und wir müssen die Privilegien der Reichen wieder zusammenstreichen.
Außerdem sollten wir dringend die Sozialen Netzwerke regulieren.
Wenn zu viele Menschen sich nicht mehr gehört fühlen, stärkt das die extremen Ränder.
20% der Wähler haben einer rechtsextremen Partei die Stimme gegeben.
Bei dieser Wahl haben wir wieder einen Warnschuss bekommen.
Möglicherweise war es der letzte.
Wir sollten ihn nicht ignorieren!
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